Wie ein Fisch aus Plastik in Hamburg auftauchte

 

Kita:                       WABE-Kita Max-Herz-Ring

Ort:                         Hamburg

Größe:                   150-165 Kinder, 20 pädagogische Fachkräfte

Träger:                   Wabe e.V.

 

Fast das gesamte geräumige Atelier der WABE Kita Max-Herz-Ring im Hamburger Stadtteil Farmsen-Berne wurde mehrere Monate von einem riesigen Kunstprojekt eingenommen: Eine 2,5 Meter lange Styroporform, mit Augen, Mund, Schwanz und Bauch, beklebt mit schillernden Flossen aller Farben. Ein Fisch aus Plastikabfall. Ein bisschen traurig schaut der Fisch drein – das ist kein Wunder, denn nicht nur in seinem Lebensraum dem Meer schwimmen Abfälle und Plastikreste. Diese haben es auch in seinen Bauch geschafft, der, ebenso wie seine Oberfläche, mit Abfällen aus Plastik gefüllt ist. „Das ist unser Plastikfisch Nomi“, erklären die Kinder im Atelier. Der Fisch muss auf Diät, denn „er frisst unseren Plastikmüll und wird immer größer. Erst wenn wir aufhören so viel Müll zu machen, wird sein Bauch auch wieder gesund.“

Plastik aus eigener Sammlung

 

Plastikabfall, den die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern für das Jahresprojekt „Plastik verschwindet nie“ sammelten, stapelte sich im Fisch-Atelier. In Zusammenarbeit mit Künstlerin Claudia Dreyer nutzten ihn die Kinder als Kunstmaterial. PET-Flaschen, Kronkorken, Plastiktüten, Joghurtbecher, Netze, Strohhalme, Deckel und Dosen sowie eine große Vielzahl an Plastikverpackungen haben sie verarbeitet – es wurde geklebt, geschnitten, gebügelt und getackert. Teile davon haben sie zu Fischschuppen gemacht und mit ihren Namen versehen. Nomi ziert deshalb Namen wie Linda, Amir, Tim, Milla, Eileen, Ehsan, William und viele weitere.

 

Das Grundgerüst des Plastikfisches stammt aus eigener Herstellung von Claudia Dreyer, das sie extra für die Kita Trabrennbahn angefertigt hat. Mit ihrer Aktion wollen die 95 beteiligten Kinder der Kita auf die immer stärker zunehmende Verschmutzung der Meere durch Plastikverpackungen sowie das dadurch entstehende Leid der Tiere aufmerksam machen. Auf das Thema kamen sie, als nach den Ferien ein Kind von seinem Urlaub erzählte: „Ein Kind berichtet von dem Müll, der an den Strand gespült worden war. Seine Erzählungen haben die anderen Kinder und uns sehr stutzig und traurig gemacht. Kinder begreifen sehr schnell, dass diese Plastikmüllverschmutzung nicht gut für unsere Umwelt ist. Unser Interesse wurde geweckt und wir fragten uns, ob wir etwas dagegen tun können“, erläutert Kita-Leiterin Ewa Frackowiak. Doch wie kann die unnötige Produktion von Plastik vermieden werden?

Müll-Detektive und Plastikprofis

 

Dem wollten die Kinder und das Team der Kita Trabrennbahn näher auf den Grund gehen. Die Einrichtung arbeitet nach dem Konzept der offenen Pädagogik der Achtsamkeit und legt großen Wert darauf, den Kindern über vielseitige Angebote in verschiedenen Bildungsbereichen einen ganzheitlichen Zugang zu den Themen zu ermöglichen. Zudem richtet sich Einrichtung zunehmend an den Kriterien einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung aus – und somit war schnell klar, dass sich aus den aufkommenden Fragen eine längerfristige angelegte Bildungsarbeit rund um Themen von Abfall und Abfallvermeidung entwickeln würde. Einfach und praxisnah haben die Kita-Mitarbeitenden es mit ihren Kindern erkundet.

 

„Jeder fängt bei sich an!“, ist das Motto, mit dem auch die Kinder aus dieser Erfahrung herausgegangen sind: Sie haben gelernt, was Plastik ist, was seine Vor-, aber auch seine Nachteile sind. Sie beschäftigen sich kreativ und lösungsorientiert mit seiner Wiederverwertung und Vermeidung. In einer Reparaturwerkstatt verwandeln sie defekte Plastikspielzeuge in Neues. Einige Kinder wurden zu Detektiven ausgebildet: Sie können Plastik von anderen Materialien unterscheiden und wissen um dessen Gefahren für die Umwelt. Außerdem kennen sie die Strategien der Müllvermeidung im Supermarkt.

 

Auch in der täglichen Bewirtschaftung hat sich das neue Bewusstsein niedergeschlagen. Die Mitarbeitenden haben Plastikgeschirr abgeschafft, Plastik-Schuhüberzieher gegen waschbare Textilschuhüberzier getauscht, achten verstärkt auf Reduktion von Mülltüten, ein Mülltrennsystem in der Küche eingeführt, nutzen energiesparende LED-Lampen und sind auf umweltfreundliche Reinigungsmittel umgestiegen. Auch die Familien sind in das Projekt involviert. Diese umweltfreundlichen Veränderungen in der Kita werden von den Eltern aufgenommen und mit Begeisterung getragen. Der Verzicht auf Plastikverpackungen bei Geburtstagen ist inzwischen zum Standard geworden, zu Kita-Festen kommt jeder mit eigenem Besteck. Auf Anregung mancher Familien wird die Einführung von Stoff- statt Plastikwindeln derzeit in der Kita diskutiert.

 

Der Plastikfisch wandelt in die Welt

 

Für ihr Engagement hat die Einrichtung dieses Jahr die Auszeichnung als KITA21 erhalten. Dem Fisch ist es derweil zur Aufgabe geworden, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen, denn das Kita-Team will die Nachbarschaft wachrütteln und Veränderungen bewirken. So hat es der Fisch nicht nur auf das Familienspielfest „WABE EXPERIMENTA“ geschafft, das im Juni in Planten und Blomen ausgerichtet wurde. Seit August dieses Jahres ist er sogar in der Ausstellung von Greenpeace e.V. in der Hamburger Hafencity zu bewundern: Dort schmückt er in aller Abfallkunst das Schaufenster.

 

Greenpeace Ausstellung in der Hamburger Hafencity

Hongkongstraße 10, 20457 Hamburg

Eintritt: kostenfrei

Geöffnet: dienstags bis freitags, 10 - 17 Uhr

Angebote für Gruppen und Schulklassen können nach Anmeldung ab 11 Uhr durchgeführt werden.

www.greenpeace.de/ausstellung